Montag, 16. Januar 2012

Kalkutta - ein Erlebnis

Der Nachtzug nach Kalkutta war wie erwartet verspätet. Natürlich wieder der böse Nebel. Aber immerhin waren es nur zwei Stunden. Allerdings zwei extrem kalte und zugige Stunden am Bahnhof von Varanasi. Immerhin hat ein sehr netter Bahnbeamter mit mir gewartet. Wenn es bei Zügen zu Verspätungen kommt, dann ändert sich oft in letzter Minute das Gleis. Und aus Erfahrung, meinte der Beamte, weiß er, dass die Fremden die Durchsagen am Bahnhof nicht verstehen… Wie wahr – Hindi sowieso schon mal nicht, und indisches Englisch über Lautsprecher ist, ehrlich gesagt, nicht arg viel besser.
Aber über zwei Stunden beschwert man sich ja gar nicht….
Reise Indien Kalkutta
Kalkutta

Gebucht hatte ich einen Platz im Sleeper – das ist die billigste Version, wenn man liegen will. Also ohne Abteil, offener Wagen, jeweils drei Betten übereinander. Mit Schlafsack, Buch und Taschenlampe bewaffnet liest man halt so lange, bis man müde ist und dann wiegt einen der Zug in den Schlaf. Zeit hatten wir dazu mehr als genug, immerhin sollte die Reise 14 Stunden dauern… Natürlich war es letztendlich länger, knapp 20 Stunden, aber was soll's, es war bequem, irgendwann haben wir die Betten wieder zu Sitzen umgebaut und waren am frühen Nachmittag in Kalkutta.

Vor 16 Jahren war ich schon einmal in Kalkutta. Damals habe ich im Zentrum in der Sudder Street gewohnt – eine fürchterliche Gegend mit schrecklichen Hotels. Damals war es praktisch, weil zentral, billig und nahe am Haus von Mutter Teresa, wo ich ein paar Tage gearbeitet habe. Aber ein Zimmer für 50 Cent kann einfach nicht wirklich gut sein… Zusammenfassend kann man über die meisten Hotels in dieser Gegend sagen: superbillig, aber auch superschmutzig, alle möglichen toten und lebendigen Tiere im Zimmer, extrem viele Bettler in der ganzen Straße, nervige Verkäufer von weiß der Himmel was, dubiose Reisebüros und Restaurants mit Essen in sehr zweifelhafter Qualität….
In die Sudder Street wollte ich auf gar keinen Fall mehr, also habe ich schon vor der Abreise im Internet geforscht und bin auf die Jugendherberge von Kalkutta gestoßen. Liegt ziemlich weit ausserhalb, aber lieber jeden Tag 25 Minuten mit der Metro fahren und ruhig, sauber und angenehm wohnen als in diesem Loch Sudderstreet.
Es war nicht ganz leicht, die Jugendherberge zu finden. Sie liegt in einer ganz kleinen Seitengasse etwa 3 Kilometer von Dum Dum Metro Station entfernt.

Reise Indien Kalkutta
Schreiber, Kalkutta
Als ich dort ankam, wusste ich, dass es genau die richtige Entscheidung war – ein supersauberes Zimmer, heißes Wasser, gutes Essen, nette Mitbewohner und liebenswertes Personal – was will man mehr? 
An meinem ersten Nachmittag konnte ich nicht mehr allzu viel unternehmen – immerhin wird es hier gegen 17.30 Uhr dunkel. Also bin ich mit dem Tuktuk und anschließend einem Boot über den Hooghly River gefahren und habe auf der anderen Seite den Belur Tempel besucht. Nach der langen Zugfahrt habe ich mich auf eine ruhige Stunde am Tempel mit seinem Park gefreut.
Reise Indien Kalkutta
Markt, Kalkutta
Tja, es kam mal wieder anders – genau an diesem Tag war der Geburtstag von Ramakrishna Paramahamsa, dem dieser Tempel geweiht ist. Ramakrishna trat im 19. Jahrhundert für die Einheit der Religionen ein und gilt als der Schöpfer des modernen Hinduismus. Vor allem junge Menschen fühlen sich von seiner Lehre angezogen und deswegen fand am Belur Math gleichzeitig zur Geburtstagsfeier ein Jugendfest statt. Tja, man kann es sich wohl vorstellen – alleine war ich dort an diesem Tag nicht! Von wegen ruhig unterm Baum sitzen und Tempel gucken.

Was soll's, dafür jede Menge interessierter junger Leute, die mir gerne erklärten, warum dieser Herr und seine Lehre aus dem 19. Jahrhundert heute noch so wichtig sind… Jedenfalls ein sehr spannender Nachmittag!
Die Rückfahrt zur Jugendherberge war fast ein bisschen zu spannend, denn eigentlich wollte ich mit dem Bus fahren. Wegen der Feierlichkeiten waren die Busse aber sowas von voll – das kann man sich hier bei uns gar nicht vorstellen. Trauben von Menschen hingen an den Türen. Mitfahren, "Einsteigen"? Kein Drandenken! Aber auch ein Taxi zu bekommen war alles andere als leicht. Die Idee hatten nämlich auch schon ein paar andere…. Und zwar vor mir… Aber gut, auch das war irgendwann geschafft und eine knappe Stunde später war ich wieder bei meiner Unterkunft. Tja, das ist Kalkutta – 5 Kilometer im Taxi, eine knappe Stunde….