Dienstag, 20. April 2010

Auf dem Weg nach Agadez

Da mein Rückflug aber von Cotonou, Benin, gehen sollte und der einzige, von öffentlichen Verkehrsmitteln bediente Grenzübergang via Lagos ist, musste ich mir etwas einfallen lassen.

Reisen Afrika Niger Agadez
Tuareg aus Agadez, Niger
Über Monate schien ein Besuch der Republik Niger keine Option zu sein. 2007 war erneut eine Rebellion der Tuareg ausgebrochen, was zur Folge hatte, dass Touristen nicht mehr nach Agadez fahren konnten, die Wüste Tenere und das Airgebirge nicht mehr bereisbar waren. Das Ausbleiben der Touristen hatte weitreichende Folgen, die Haupteinnahmequelle Tourismus versiegte mit einem Schlag und somit verloren viele Einheimische ihre Arbeit, sei es als Fahrer, Guides, Hotelangestellte, Restaurantbetreiber, Geschäftsinhaber, etc. Natürlich betrifft das nicht Einzelpersonen, sondern ganze Familien, die in der Armut gelandet sind.
Die Rebellion ist inzwischen offiziell beendet, einige Waffen abgegeben. Die Reiseagenturen haben aber ihre Touren in die Wüste und ins Gebirge eingestellt. Diejenigen, die Agadez verlassen konnten, haben das bereits während der Rebellion getan. Zurück geblieben sind Menschen ohne Job und ohne Geld, oftmals auch ohne Zukunft. Eine gefährliche Mischung für jeden, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist.
Noch problematischer sind die Banditen, die ein Produkt der Rebellion sind und immer noch Land und Leute im Air Gebirge, in der Tenere und rund um Agadez terrorisieren. Es werden immer wieder Autos, Lastwägen und Busse überfallen, die Menschen ausgeraubt, und so mancher hat schon sein Leben verloren. Schon aus diesem Grunde muss man in dieser Gegend sehr vorsichtig sein und man darf auf keinen Fall alleine unterwegs sein.
Auf der anderen Seite war Agadez auf meiner letzten großen Afrikareise 2002/2003 meine Lieblingsstadt gewesen, in die ich unbedingt wieder hinwollte.
Also musste ich herausfinden, wie die Situation im Niger und vor allem in Agadez derzeit ist.
Als erstes suchte ich das Generalkonsulat von Niger in Kano auf und fragte vorsichtig nach, ob man überhaupt Visa ausstellt und ob Reisen bis Agadez möglich und erlaubt sind.

Reisen Afrika Niger Agadez
Targia aus Agadez, Niger
Der Sekretär nahm meine Befürchtungen durchaus ernst, telefonierte mit mehreren Behörden und teilte mir schließlich freudestrahlend mit, dass die Straßen bis Agadez sicher seien, ich aber nicht weiter nördlich ins Air oder in die Wüste fahren kann.
All das verifizierte ich noch mit Eva, einer Freundin aus Österreich, die seit vielen Jahren in Agadez lebt und bei der ich auf meiner letzten großen Afrikareise drei Wochen gewohnt habe. Sie sagte das gleiche wie der Botschafter und nahm mir das Versprechen ab, nicht alleine aus dem Haus zu gehen, und somit war ich herzlich willkommen.
Nachdem ich alle pros und contras abgewogen hatte, stand für mich fest, dass ich es versuchen wollte.
Somit war auch klar, wie ich Lagos umgehen kann – indem ich via Niger reise und von dort aus nach Benin fahre!
Der Grenzübergang zwischen Nigeria und Niger war zwar zeitaufwendig (für die 30 km bis Maradi samt Grenzübertritt brauchten wir 2,5 Stunden und ich musste an fünf verschiedenen Stellen sechs Papiere ausfüllen, aha, hier war sie also, die nigerianische Bürokratie), aber nicht wirklich schwierig.
In Maradi wartete ich gerade eine gute Stunde auf den Bus aus Niamey, mit dem ich bis nach Zinder fahren konnte.
Zinder kannte ich schon von meiner letzten Afrikareise, wo ich einige Tage hier verbracht hatte. Natürlich verändert sich eine Stadt in dieser Zeit, aber die preiswerteste Unterkunft war immer noch das Hotel Malem Kalkadanu ganz in der Nähe des Busbahnhofes. Zu arg viel Schlaf kam ich in dieser Nacht nicht, denn in meinem Zimmer hatte es gruslige 33,9 Grad, die von einem altersschwachen Ventilator etwas bewegt wurden. Das ganze erinnerte stark an einen superheißen Fön… Außerdem waren im Hotel die anderen Zimmer von Studenten belegt, die natürlich ausnahmslos diese Ausländerin kennen lernen wollten, die da so unvermutet hereingeschneit war. Da es zum Schlafen eh zu heiß war, war die Unterhaltung mit ihnen doch eine hervorragende Alternative…
Morgens um 06.00 Uhr ging dann der Bus nach Agadez. Die afrikanischen Busbahnhöfe gleichen großen, anscheinend unorganisierten Märkten. Was wie das absolute Chaos aussieht, hat aber durchaus System.

Reisen Afrika Niger Agadez
Tuareg aus Agadez, Niger
Morgens gibt es Teeverkäufer und mobile Stände mit Sandwiches. Später kommen Obststände und Omeletteverkäufer dazu, Buben, die gekühltes gefiltertes Wasser aus Plastiktüten verkaufen und junge Frauen, die gekochte Eier in einem Eimer auf dem Kopf balancieren. Jede Menge andere dienstbare Geister haben gekühlte Cola und Fanta dabei oder können aus der mobilen Apotheke ein Aspirin oder von nebenan eine Scratchkarte zum Aufladen für das Handy besorgen.
Pünktlich um 06.00 Uhr startete der Bus dann nach Agadez. Schon beim Einsteigen in den Bus zeigte sich, dass die Fahrt in das Land der Tuareg geht. Neben den Menschen vom Stamm der Haussa und Fulbe, die in der Gegend um Zinder leben, kamen nun viele Mitreisende an Bord, die zum Volk der Tuareg gehören. Äußerlich erkennbar natürlich an dem bis zu fünf Meter langen Tuch, das gekonnt um den Kopf geschlungen wird und oftmals nur noch die Augen freilässt. Durchaus sinnvoll in diesem Wüstenklima mit all dem Sand und Staub in der Luft, vom Sonnenschutz mal ganz abgesehen. Das restliche Outfit besteht aus einer langen weiten Hose und einem weiten Hemd, das meist bis zu den Waden reicht, das alles traditionell in indigoblau. (das Indigo färbt häufig ab, deswegen werden die Tuareg oft auch blaue Männer genannt). Abgerundet wird das Outfit oftmals durch einen kunstvoll gearbeiteten Beutel aus Leder, den man sich um den Hals hängt und in dem sich alles wichtige wie Geld, Papiere, etc gut verstauen lässt.
Ich freute mich sehr, wieder bei den Tuareg zu sein. 2002/2003 habe ich eine wirklich tolle Zeit in Agadez, in der Tenere und im Airgebirge verbracht und viele Einheimische kennen gelernt. Natürlich wollte ich in Agadez auch möglichst viele der Freunde von damals wiedertreffen. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war, bereits im Bus auf einen alten Bekannten zu stoßen! Die Kopfbedeckung, die meist auch große Teile des Gesichts bedeckt, macht es nicht so ganz leicht, jemanden zu erkennen. Um 05.00 Uhr beim Bus war es schließlich auch noch dunkel, aber einer der Mitreisenden kam mir doch sehr bekannt vor. Im Laufe der Fahrt stellte sich dann heraus, dass wir uns tatsächlich kennen, im Herbst 2002 hatte mich eben dieser Ahmed nach Iferouane ins Airgebirge gefahren, von wo aus ich mit einer Gruppe Österreicher 10 Tage durch die Wüste und das Gebirge fahren durfte! War natürlich ein tolles Wiedersehen und so vergingen die sieben Stunden bis Agadez wie im Fluge.
Wieder einmal stellte ich fest, dass die Welt echt ein Dorf ist!