Am frühen Nachmittag kamen wir dann in Agadez an, dem erklärten
Lieblingsort meiner letzten Afrikareise. Assanaga, der Fahrer von Eva
und Freund der Familie, wartete schon am Busbahnhof auf mich und brachte
mich mit dem Motorrad zu Eva.
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Eva im Kulturhaus, Agadez, Niger |
Nun war ich also endlich wieder in Agadez. Seitdem ich das letzte
Mal hier war, hat sich einiges verändert. Durch die Rebellion, die
Banditen und das Ausbleiben der Touristen haben viele Einheimische, die
die Möglichkeit dazu hatten, Agadez verlassen. Zurück geblieben sind
diejenigen ohne Geld, ohne Job oder Ausbildung und ohne eine Chance,
dies zu ändern. Bei vielen Familien herrscht pure Armut, weil niemand
Geld verdienen kann, weil es einfach keine Arbeit mehr gibt.
Die Verzweiflung kann durchaus Menschen dazu bringen, anders als normal
zu reagieren, und es kann schnell passieren, dass man zur falschen Zeit
am falschen Ort ist. Deswegen hat mir Eva das Versprechen abgenommen,
dass ich nur in Begleitung nach draußen gehe.
Evas Haus war immer ein sehr offenes Haus gewesen und ist dies auch
geblieben. Daher war es selten ein Problem, jemanden zu finden, mit dem
man seine Besorgungen erledigen konnte oder mit Freunden irgendwas zu
unternehmen. Eine Umstellung war es allerdings schon, weil ich es
natürlich nicht gewöhnt bin, dass ich nicht einfach tun und lassen kann,
was ich möchte.
Auf der anderen Seite habe ich die Ruhe, Evas Bibliothek mit Büchern
auch in deutscher Sprache, das gute Essen und die Besuche von Freunden
sehr genossen.
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in Agadez, Niger |
Von den alten Freunden und Bekannten von 2002/2003 sind nicht mehr
allzu viele hier. Die einen waren bei der Rebellion dabei und halten
sich noch versteckt, andere leben im Airgebirge, weil es in Agadez
derzeit eh keine Arbeit gibt, wieder andere leben in der Hauptstadt
Niamey oder gar in Europa.
Aber, wie gesagt, Evas Haus ist nach wie vor ein offenes Haus und es kommen immer interessante Menschen auf Besuch.
Da gibt es den Fahrer und Freund der Familie Assanaga, mit dem ich
immer wieder mit dem Motorrad in und um Agadez unterwegs war. Abdou, der
ein Händchen für alles elektrische hat, und Bebe, ein Marabout, der
sich aufs Maurerhandwerk versteht. Alle drei sind Meister der Gitarre
und so manchen Abend verbrachten wir im Hof bei Tuaregtee und Musik.
Einfach toll!
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Moschee von Agadez, Niger |
Eva baut derzeit gemeinsam mit ihrem Sohn Christoph ein Kulturzentrum
in Agadez auf. Wir verbrachten viel Zeit dort, es wurden gerade die
Wände gestrichen, Möbel angemalt und die Bar installiert.
Als ich das letzte Mal in Agadez war, hatte ich das gleiche Problem
wie diesmal – eine neue Frisur musste her, immerhin war ich das letzte
Mal vor fünf Monaten beim Friseur…. 2003 habe ich den Fehler begangen,
einen einheimischen Friseursalon aufzusuchen. Die drei anwesenden Damen
haben sich darum gestritten, wer mir nun die Haare schneidet und haben
damals das scheinbar salomonische Urteil gefällt, dass alle an die
Frisur dürfen. Nun, das Ergebnis war dementsprechend – einfach
schrecklich, die Seiten unterschiedlich lang, vorne viel zu kurz, hinten
ein Riesenloch… Ich hatte mich damals geweigert, für diesen
fabrizierten Unsinn auch noch zu bezahlen und Eva musste
Schadensbegrenzung zuhause betreiben, damit es nicht ganz so krass
aussah. Nun, aus Schaden wird man bekanntlich klug.
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Blick vom Minarett auf die Lehmhäuser von Agade, Niger |
Diesmal meldete ich mich gleich bei Eva zum Haare schneiden an und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.
Natürlich gibt es nach wie vor Yachya, den netten Nachbarn gerade
eine Parallelstrasse weiter, der so wunderschönen Silberschmuck
herstellt. Und nach wie vor findet sich bei ihm immer etwas, das man
unbedingt mitnehmen muss.
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Hochzeitsgast, Agadez, Niger |
Yachya hat mich auch auf die Hochzeit einer seiner Töchter eingeladen.
So etwas ist selbstverständlich immer spannend. Gefeiert wurde insgesamt
zwei Tage mit viel Musik, Trommeln und Tanz. Man konnte ganz zwanglos
kommen und gehen, und da es, wie gesagt, eh nur ums Eck war, konnte ich
auch alleine dorthin gehen. Logischerweise ein sehr fotogenes Event,
weil alle in ihrem besten traditionellen Zwirn erschienen sind.
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Tanzen auf der Hochzeit, Agadez, Niger |
Ein weiterer häufiger Gast im Hause Evas ist Malam, ein Marabout. Die
Marabouts erfüllen in Afrika eine wichtige Aufgabe. Sie sind Seher,
Heiler, Therapeuten und religiöser Beistand. Sie schützen vor bösen
Zaubern und können einen auch von einem solchen befreien. Ich selbst
spürte das am eigenen Leib, litt ich doch seit Oktober letzten Jahres
unter üblen Schmerzen an der rechten Ferse, die einfach nicht weggehen
wollten. Nun, nach der Behandlung von Malam ist es nun schon deutlich
besser und wird wohl hoffentlich bald ganz verschwunden sein.
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Hochzeit, Agadez, Niger |
Tja, der Erfolg gibt ihm Recht. Als mir Malam dann dringend davon
abriet, an einem Dienstag zu reisen, ich würde nicht heil mein Ziel
erreichen und sollte außerdem Benin komplett überdenken, fiel es mir
nicht wirklich schwer, nach einem Flug von Niamey/Niger statt von
Cotonou/Benin zu schauen. Der Flug war letztendlich nur ein paar Euro
teurer und die letzten Buskilometer reduzierten sich mit einem Schlag
von gut 2000 Kilometern auf unter 1000.
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Malam, Agadez, Niger |
Vor allem Übel konnte er uns leider auch nicht schützen, denn eines
nachts ist irgend jemand über die an sich wirklich hohe Mauer von Evas
Haus gestiegen, am Hund Shakira vorbeigekommen, der sonst jeden anbellt
und stellt und hat aus unseren Zimmer jegliches Bargeld geklaut.
Fotoapparat, Laptops, Musikanlage und Kreditkarten waren noch da, nur
das Bargeld fehlte. Diese Nacht hatten wir alle fünf draußen geschlafen,
weil das deutlich angenehmer ist. Trotzdem hat niemand von uns etwas
von dem Einbruch mitbekommen, obwohl der oder die Einbrecher keine zwei
Meter entfernt vorbei gelaufen sein müssen…
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Feiern nach getaner Arbeit, Agadez, Niger |
Ein beunruhigendes Gefühl, von der blöden Situation, komplett ohne Bares da zu stehen, mal ganz abgesehen….
Die Polizei kam ins Haus, aber wie sehr häufig in Afrika, machten die
Herren Polizisten nicht gerade einen arbeitswütigen Eindruck….
Wir beauftragten neben Malam noch einige zusätzliche Marabouts, uns bei
der Suche nach den Dieben behilflich zu sein. Bisher leider ohne
Erfolg.
Einer von diesen Marabouts legte mir ans Herz, ein Gris Gris machen zu
lassen, also einen Talisman, der mich vor allem Bösen beschützen soll.
Gute Idee, und bei all dem Unsinn, der in der letzten Zeit so passiert
ist, schadet das mit Sicherheit nicht…
Nach gut zwei Wochen bei Eva in Agadez machte ich mich auf zur
letzten Etappe meiner Reise im Niger: knapp 1000 Kilometer per Bus bis
nach Niamey.
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Dorfkind bei Agadez, Niger |
Die Strasse war 2002 in einem hervorragenden Zustand, aber
das hat sich leider geändert, Teile fehlen ganz, andere Stücke sind von
Sand überweht. Die Fahrt dauerte 14 Stunden, etwas länger als normal.
Das lag unter anderem daran, dass wir erst einen bösen Sandsturm hatten,
dann fing es sogar an zu regnen. All das reduzierte die Sicht
erheblich, deswegen kamen wir später als geplant in Niamey an, der
Hauptstadt des Niger.
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Blick auf die Altstadt von Agadez, Niger |
Ibrahim, ein Taxifahrer und Freund von Evas Sohn Christoph, holte
mich am Busbahnhof ab und brachte mich erst mal zu sich nach Hause.
Dort
gabs dann was leckeres zu essen, eine dringend notwendige Eimerdusche
und anschließend bot er mir seinen Teil des Bettes für ein paar Stunden
an, er musste eh Taxifahren. So kam ich in den Genuss von ein paar
Stunden Schlaf auf der Riesenmatratze gemeinsam mit seiner Frau und den
drei Kindern, bis wir uns um 1.00 Uhr nachts auf den Weg zum Flughafen
machten.