Donnerstag, 6. Mai 2010

Chefchaouen

Von Tanger aus ist es nicht weit bis nach Chefchaouen. Bei meinen früheren Marokkoreisen habe ich es noch nie bis dorthin geschafft, obwohl ich schon immer mal hin wollte.

Reisen Afrika Chefchaouen
Chefchaouen, Marokko
Von Tanger aus dauert es per Bus drei Stunden. Es sind zwar nur 110 Kilometer, aber die haben es in sich, denn es geht richtig in die Berge.
Chefchaouen ist eine relativ kleine Stadt im Rifgebirge. Hier gibt es eine wunderschöne Medina mit vielen krummen Gassen, ganz vielen blauen Häusern, vielen Geschäften, Hotels und Restaurants. Natürlich ist das Ganze sehr touristisch, aber das hat durchaus seinen Grund – es ist einfach schön hier, sehr ruhig und die Menschen sind sehr gelassen. Letzteres mag zum Teil auch auf das Kif-Rauchen (Hasch) zurückzuführen sein….
Reisen Afrika Chefchaouen
Chefchaouen, Marokko
Neben der Altstadt gibt es noch die Cascades, die Wasserfälle. Hier waschen die einheimischen Frauen Wäsche. An den Cascades beginnt der Weg zur Moschee, die auf einem nahen Hügel liegt. Von dort aus hat man einen hervorragenden Blick auf die blauen Häuser der Altstadt.
Nach zwei Tagen in Chefchaouen kehrte ich wieder nach Tanger zurück. Für den 01.05. hatte ich keine größeren Pläne, das war immerhin mein letzter Tag. Eigentlich wollte ich den Nachtzug nach Casablanca nehmen, der morgens um 04.30 Uhr in Casa Voyageur ankommt. Mit dem Sprinter dauert es dann nur noch 20 Minuten von dort aus bis zum Flughafen, sodass das insgesamt gut passt mit dem Abflug um 08.30 Uhr nach Frankfurt.

Reisen Afrika Chefchaouen
Chefchaouen, Marokko
Am Strand von Tanger lernte ich allerdings eine nette Familie kennen, die meinten, dass das so gar keine gute Idee ist, da genau in dieser Nacht auf Sommerzeit umgestellt wird und dadurch schon mal eine Stunde weniger zur Verfügung steht. Ganz davon abgesehen haben die marokkanischen Nachtzüge gerne mal eine oder zwei Stunden Verspätung…. Tja, und auf einmal sieht das alles ganz anders aus und passt gar nicht mehr!
Reisen Afrika Chefchaouen
Chefchaouen, Marokko
Aber es gab eine Möglichkeit – nämlich den Zug um 17.00 Uhr! Die Hilfsbereitschaft der Marokkaner hat keine Grenzen, so packte die Familie in Windeseile ihre Siebensachen zusammen, und wir fuhren zu meinem Hotel, holten das Gepäck und ab zum Bahnhof.
Die sechs Stunden im Zug vergingen wie im Flug, immerhin hatte ich nette Mitreisende mit an Bord und mein Französisch ist durch die vier Monate in frankophonen Ländern durchaus auch etwas besser geworden.
Reisen Afrika Chefchaouen
Chefchaouen, Marokko
Um 23.00 Uhr kam ich dann in Casa Voyageur an. Meine Mitreisenden ließen es sich nicht nehmen, mich zu einem preiswerten Hotel ganz in der Nähe des Bahnhofes zu begleiten, immerhin gelten Bahnhofsgegenden in aller Herren Länder nun nicht gerade als die besten aller Viertel.
Tja, und am 02.05.10 endete mein Afrikatrip ganz und gar unspektakulär (in dem Zusammenhang: dankenswerterweise) mit einer kurzen Zugfahrt mit dem Sprinter bis zum Flughafen in Casablanca und einem 3,5 Stunden Flug mit Royal Air Maroq bis nach Frankfurt.
Ich wusste schon gar nicht mehr, wie kalt 13 Grad sein können – ziemlich kalt!
Nach 333 Tagen (was für eine Zahl!) ist meine Afrikareise zu Ende. Ich war in insgesamt 16 Ländern.
Reisen Afrika Chefchaouen
Chefchaouen, Marokko
Mitgebracht habe ich etwa 15 000 Fotos und habe nun 17 bunte Simcards daheim liegen, habe viele neue Freunde, neue Eindrücke und neue Einsichten gewonnen. Erfahrungen, die mir niemand mehr nehmen kann und die ich hoffentlich auch hier werde nutzen können. Es wird anfangs nicht ganz leicht werden, mich hier wieder einzugewöhnen, aber mein Lebensgefährte Werner und meine Freunde, seien es deutsche, amerikanische und nicht zuletzt die afrikanischen werden mir helfen, mich hier wieder einzuleben. Monica, meine Freundin aus Windhoek, hat das vor ein paar Tagen ganz gut in einer SMS zusammengefasst: Sie meinte, dass ich viel im letzten Jahr in ihrem Kontinent erlebt habe, viel gutes, aber auch schlechtes. Nun sei es Zeit heimzugehen. Ich bin und bleibe ihre europäisch-afrikanische Schwester, bin ein Teil von ihnen geworden und fühle mich hier wie dort zuhause, weil ich das Glück hatte, mir Zeit für die Menschen in Afrika, ihre Kultur und ihre Traditionen nehmen zu können. Ich werde meine neuen Freunde vermissen, genauso wie ich mich freue, die alten Freunde wiederzusehen. Ich weiß aber auch, dass sie Recht mit einer Sache hat: wir werden uns bestimmt bald wiedersehen….
Jetzt, wenn ich diese letzten Zeilen schreibe, bin ich den ersten Tag wieder zuhause. Alles noch ziemlich neu, aber ich bin es ja nun gewöhnt, mich auf neues einzustellen. Also, packen wir es an!

Dienstag, 4. Mai 2010

Die letzte Woche - in Tanger, Marokko

Der Flug mit Royal Air Maroq bis Casablanca verlief dankenswerterweise komplett unspektakulär und 6 Stunden später war ich in Marokko. Das ist bereits das vierte Mal, dass ich Marokko bereise, allerdings war ich noch nie in der Region Tanger / Rifgebirge. Das wollte ich nun verbinden mit dem Besuch eines alten Bekannten von dieser Reise – Mohsine, den ich in Windhoek im Chameleon Backpacker kennen gelernt hatte.
In Casablanca war es ein absolutes Kinderspiel mit der Weiterreise – man kann vom Flughafen mit dem Zug bis zum großen Bahnhof in der Stadt fahren, dort ging gerade mal 15 Minuten später ein Zug nach Tanger. Gerade genug Zeit, eine neue Simcard zu besorgen, diese aufzuladen und schon gings los!

Reisen Afrika Tanger
Tanger, Marokko
Nach knapp sechs Stunden kam ich in Tanger an, die Fahrt verging wie im Fluge, hatte ich doch zwei nette junge Frauen aus England im Abteil.
Mohsine holte mich am Bahnhof ab und brachte mich zu einem kleinen Hotel nahe der Altstadt.
Wenn man online über Tanger nachlesen will, gibt es nicht allzu viele positive Kommentare. Ich selbst habe mich hier sehr wohl gefühlt, es gibt auch durchaus einiges zu sehen, die Medina (Altstadt) ist sehr verwinkelt mit weißen, gelben und roten Häusern, kleinen Geschäften und Hotels. Es gibt eine Kasbah (Burg) mit einem guten Museum, ein paar alte Stadttore und immer wieder Ausblicke aufs Meer.
Reisen Afrika Tanger
Tanger, Marokko
An einem Tag fuhren wir ein bisschen aus der Stadt heraus. Die Gegend außerhalb von Tanger wird bestimmt durch riesige Villen, die meist Ausländern gehören, v.a. Saudis. Es gibt sehr viele Aussichtspunkte sowie die Herkules Höhle mit Blick aufs Meer. Das Guckloch nach draußen erinnert stark an die Umrisse Afrikas, angeblich wurde hier aber nicht nachgeholfen, sondern es ist alles auf natürlichem Wege entstanden…

Montag, 26. April 2010

Geliebtes Agadez

Am frühen Nachmittag kamen wir dann in Agadez an, dem erklärten Lieblingsort meiner letzten Afrikareise. Assanaga, der Fahrer von Eva und Freund der Familie, wartete schon am Busbahnhof auf mich und brachte mich mit dem Motorrad zu Eva.

Reisen Afrika Niger Agadez
Eva im Kulturhaus, Agadez, Niger
Nun war ich also endlich wieder in Agadez. Seitdem ich das letzte Mal hier war, hat sich einiges verändert. Durch die Rebellion, die Banditen und das Ausbleiben der Touristen haben viele Einheimische, die die Möglichkeit dazu hatten, Agadez verlassen. Zurück geblieben sind diejenigen ohne Geld, ohne Job oder Ausbildung und ohne eine Chance, dies zu ändern. Bei vielen Familien herrscht pure Armut, weil niemand Geld verdienen kann, weil es einfach keine Arbeit mehr gibt.

Die Verzweiflung kann durchaus Menschen dazu bringen, anders als normal zu reagieren, und es kann schnell passieren, dass man zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Deswegen hat mir Eva das Versprechen abgenommen, dass ich nur in Begleitung nach draußen gehe.
Evas Haus war immer ein sehr offenes Haus gewesen und ist dies auch geblieben. Daher war es selten ein Problem, jemanden zu finden, mit dem man seine Besorgungen erledigen konnte oder mit Freunden irgendwas zu unternehmen. Eine Umstellung war es allerdings schon, weil ich es natürlich nicht gewöhnt bin, dass ich nicht einfach tun und lassen kann, was ich möchte.
Auf der anderen Seite habe ich die Ruhe, Evas Bibliothek mit Büchern auch in deutscher Sprache, das gute Essen und die Besuche von Freunden sehr genossen.

Reisen Afrika Niger Agadez
in Agadez, Niger
Von den alten Freunden und Bekannten von 2002/2003 sind nicht mehr allzu viele hier. Die einen waren bei der Rebellion dabei und halten sich noch versteckt, andere leben im Airgebirge, weil es in Agadez derzeit eh keine Arbeit gibt, wieder andere leben in der Hauptstadt Niamey oder gar in Europa.
Aber, wie gesagt, Evas Haus ist nach wie vor ein offenes Haus und es kommen immer interessante Menschen auf Besuch.
Da gibt es den Fahrer und Freund der Familie Assanaga, mit dem ich immer wieder mit dem Motorrad in und um Agadez unterwegs war. Abdou, der ein Händchen für alles elektrische hat, und Bebe, ein Marabout, der sich aufs Maurerhandwerk versteht. Alle drei sind Meister der Gitarre und so manchen Abend verbrachten wir im Hof bei Tuaregtee und Musik. Einfach toll!
Reisen Afrika Niger Agadez
Moschee von Agadez, Niger
Eva baut derzeit gemeinsam mit ihrem Sohn Christoph ein Kulturzentrum in Agadez auf. Wir verbrachten viel Zeit dort, es wurden gerade die Wände gestrichen, Möbel angemalt und die Bar installiert.
Als ich das letzte Mal in Agadez war, hatte ich das gleiche Problem wie diesmal – eine neue Frisur musste her, immerhin war ich das letzte Mal vor fünf Monaten beim Friseur…. 2003 habe ich den Fehler begangen, einen einheimischen Friseursalon aufzusuchen. Die drei anwesenden Damen haben sich darum gestritten, wer mir nun die Haare schneidet und haben damals das scheinbar salomonische Urteil gefällt, dass alle an die Frisur dürfen. Nun, das Ergebnis war dementsprechend – einfach schrecklich, die Seiten unterschiedlich lang, vorne viel zu kurz, hinten ein Riesenloch… Ich hatte mich damals geweigert, für diesen fabrizierten Unsinn auch noch zu bezahlen und Eva musste Schadensbegrenzung zuhause betreiben, damit es nicht ganz so krass aussah. Nun, aus Schaden wird man bekanntlich klug.

Reisen Afrika Niger Agadez
Blick vom Minarett auf die Lehmhäuser von Agade, Niger
Diesmal meldete ich mich gleich bei Eva zum Haare schneiden an und das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.
Natürlich gibt es nach wie vor Yachya, den netten Nachbarn gerade eine Parallelstrasse weiter, der so wunderschönen Silberschmuck herstellt. Und nach wie vor findet sich bei ihm immer etwas, das man unbedingt mitnehmen muss.

Reisen Afrika Niger Agadez
Hochzeitsgast, Agadez, Niger
Yachya hat mich auch auf die Hochzeit einer seiner Töchter eingeladen. So etwas ist selbstverständlich immer spannend. Gefeiert wurde insgesamt zwei Tage mit viel Musik, Trommeln und Tanz. Man konnte ganz zwanglos kommen und gehen, und da es, wie gesagt, eh nur ums Eck war, konnte ich auch alleine dorthin gehen. Logischerweise ein sehr fotogenes Event, weil alle in ihrem besten traditionellen Zwirn erschienen sind.
Reisen Afrika Niger Agadez
Tanzen auf der Hochzeit, Agadez, Niger
Ein weiterer häufiger Gast im Hause Evas ist Malam, ein Marabout. Die Marabouts erfüllen in Afrika eine wichtige Aufgabe. Sie sind Seher, Heiler, Therapeuten und religiöser Beistand. Sie schützen vor bösen Zaubern und können einen auch von einem solchen befreien. Ich selbst spürte das am eigenen Leib, litt ich doch seit Oktober letzten Jahres unter üblen Schmerzen an der rechten Ferse, die einfach nicht weggehen wollten. Nun, nach der Behandlung von Malam ist es nun schon deutlich besser und wird wohl hoffentlich bald ganz verschwunden sein.
Reisen Afrika Niger Agadez
Hochzeit, Agadez, Niger
Tja, der Erfolg gibt ihm Recht. Als mir Malam dann dringend davon abriet, an einem Dienstag zu reisen, ich würde nicht heil mein Ziel erreichen und sollte außerdem Benin komplett überdenken, fiel es mir nicht wirklich schwer, nach einem Flug von Niamey/Niger statt von Cotonou/Benin zu schauen. Der Flug war letztendlich nur ein paar Euro teurer und die letzten Buskilometer reduzierten sich mit einem Schlag von gut 2000 Kilometern auf unter 1000.
Reisen Afrika Niger Agadez
Malam, Agadez, Niger
Vor allem Übel konnte er uns leider auch nicht schützen, denn eines nachts ist irgend jemand über die an sich wirklich hohe Mauer von Evas Haus gestiegen, am Hund Shakira vorbeigekommen, der sonst jeden anbellt und stellt und hat aus unseren Zimmer jegliches Bargeld geklaut. Fotoapparat, Laptops, Musikanlage und Kreditkarten waren noch da, nur das Bargeld fehlte. Diese Nacht hatten wir alle fünf draußen geschlafen, weil das deutlich angenehmer ist. Trotzdem hat niemand von uns etwas von dem Einbruch mitbekommen, obwohl der oder die Einbrecher keine zwei Meter entfernt vorbei gelaufen sein müssen…
Reisen Afrika Niger Agadez
Feiern nach getaner Arbeit, Agadez, Niger
Ein beunruhigendes Gefühl, von der blöden Situation, komplett ohne Bares da zu stehen, mal ganz abgesehen….
Die Polizei kam ins Haus, aber wie sehr häufig in Afrika, machten die Herren Polizisten nicht gerade einen arbeitswütigen Eindruck….
Wir beauftragten neben Malam noch einige zusätzliche Marabouts, uns bei der Suche nach den Dieben behilflich zu sein. Bisher leider ohne Erfolg.
Einer von diesen Marabouts legte mir ans Herz, ein Gris Gris machen zu lassen, also einen Talisman, der mich vor allem Bösen beschützen soll.  Gute Idee, und bei all dem Unsinn, der in der letzten Zeit so passiert ist, schadet das mit Sicherheit nicht…

Nach gut zwei Wochen bei Eva in Agadez machte ich mich auf zur letzten Etappe meiner Reise im Niger: knapp 1000 Kilometer per Bus bis nach Niamey.
Reisen Afrika Niger Agadez
Dorfkind bei Agadez, Niger
Die Strasse war 2002 in einem hervorragenden Zustand, aber das hat sich leider geändert, Teile fehlen ganz, andere Stücke sind von Sand überweht. Die Fahrt dauerte 14 Stunden, etwas länger als normal. Das lag unter anderem daran, dass wir erst einen bösen Sandsturm hatten, dann fing es sogar an zu regnen. All das reduzierte die Sicht erheblich, deswegen kamen wir später als geplant in Niamey an, der Hauptstadt des Niger.
Reisen Afrika Niger Agadez
Blick auf die Altstadt von Agadez, Niger
Ibrahim, ein Taxifahrer und Freund von Evas Sohn Christoph, holte mich am Busbahnhof ab und brachte mich erst mal zu sich nach Hause.
 Dort gabs dann was leckeres zu essen, eine dringend notwendige Eimerdusche und anschließend bot er mir seinen Teil des Bettes für ein paar Stunden an, er musste eh Taxifahren. So kam ich in den Genuss von ein paar Stunden Schlaf auf der Riesenmatratze gemeinsam mit seiner Frau und den drei Kindern, bis wir uns um 1.00 Uhr nachts auf den Weg zum Flughafen machten.

Dienstag, 20. April 2010

Auf dem Weg nach Agadez

Da mein Rückflug aber von Cotonou, Benin, gehen sollte und der einzige, von öffentlichen Verkehrsmitteln bediente Grenzübergang via Lagos ist, musste ich mir etwas einfallen lassen.

Reisen Afrika Niger Agadez
Tuareg aus Agadez, Niger
Über Monate schien ein Besuch der Republik Niger keine Option zu sein. 2007 war erneut eine Rebellion der Tuareg ausgebrochen, was zur Folge hatte, dass Touristen nicht mehr nach Agadez fahren konnten, die Wüste Tenere und das Airgebirge nicht mehr bereisbar waren. Das Ausbleiben der Touristen hatte weitreichende Folgen, die Haupteinnahmequelle Tourismus versiegte mit einem Schlag und somit verloren viele Einheimische ihre Arbeit, sei es als Fahrer, Guides, Hotelangestellte, Restaurantbetreiber, Geschäftsinhaber, etc. Natürlich betrifft das nicht Einzelpersonen, sondern ganze Familien, die in der Armut gelandet sind.
Die Rebellion ist inzwischen offiziell beendet, einige Waffen abgegeben. Die Reiseagenturen haben aber ihre Touren in die Wüste und ins Gebirge eingestellt. Diejenigen, die Agadez verlassen konnten, haben das bereits während der Rebellion getan. Zurück geblieben sind Menschen ohne Job und ohne Geld, oftmals auch ohne Zukunft. Eine gefährliche Mischung für jeden, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist.
Noch problematischer sind die Banditen, die ein Produkt der Rebellion sind und immer noch Land und Leute im Air Gebirge, in der Tenere und rund um Agadez terrorisieren. Es werden immer wieder Autos, Lastwägen und Busse überfallen, die Menschen ausgeraubt, und so mancher hat schon sein Leben verloren. Schon aus diesem Grunde muss man in dieser Gegend sehr vorsichtig sein und man darf auf keinen Fall alleine unterwegs sein.
Auf der anderen Seite war Agadez auf meiner letzten großen Afrikareise 2002/2003 meine Lieblingsstadt gewesen, in die ich unbedingt wieder hinwollte.
Also musste ich herausfinden, wie die Situation im Niger und vor allem in Agadez derzeit ist.
Als erstes suchte ich das Generalkonsulat von Niger in Kano auf und fragte vorsichtig nach, ob man überhaupt Visa ausstellt und ob Reisen bis Agadez möglich und erlaubt sind.

Reisen Afrika Niger Agadez
Targia aus Agadez, Niger
Der Sekretär nahm meine Befürchtungen durchaus ernst, telefonierte mit mehreren Behörden und teilte mir schließlich freudestrahlend mit, dass die Straßen bis Agadez sicher seien, ich aber nicht weiter nördlich ins Air oder in die Wüste fahren kann.
All das verifizierte ich noch mit Eva, einer Freundin aus Österreich, die seit vielen Jahren in Agadez lebt und bei der ich auf meiner letzten großen Afrikareise drei Wochen gewohnt habe. Sie sagte das gleiche wie der Botschafter und nahm mir das Versprechen ab, nicht alleine aus dem Haus zu gehen, und somit war ich herzlich willkommen.
Nachdem ich alle pros und contras abgewogen hatte, stand für mich fest, dass ich es versuchen wollte.
Somit war auch klar, wie ich Lagos umgehen kann – indem ich via Niger reise und von dort aus nach Benin fahre!
Der Grenzübergang zwischen Nigeria und Niger war zwar zeitaufwendig (für die 30 km bis Maradi samt Grenzübertritt brauchten wir 2,5 Stunden und ich musste an fünf verschiedenen Stellen sechs Papiere ausfüllen, aha, hier war sie also, die nigerianische Bürokratie), aber nicht wirklich schwierig.
In Maradi wartete ich gerade eine gute Stunde auf den Bus aus Niamey, mit dem ich bis nach Zinder fahren konnte.
Zinder kannte ich schon von meiner letzten Afrikareise, wo ich einige Tage hier verbracht hatte. Natürlich verändert sich eine Stadt in dieser Zeit, aber die preiswerteste Unterkunft war immer noch das Hotel Malem Kalkadanu ganz in der Nähe des Busbahnhofes. Zu arg viel Schlaf kam ich in dieser Nacht nicht, denn in meinem Zimmer hatte es gruslige 33,9 Grad, die von einem altersschwachen Ventilator etwas bewegt wurden. Das ganze erinnerte stark an einen superheißen Fön… Außerdem waren im Hotel die anderen Zimmer von Studenten belegt, die natürlich ausnahmslos diese Ausländerin kennen lernen wollten, die da so unvermutet hereingeschneit war. Da es zum Schlafen eh zu heiß war, war die Unterhaltung mit ihnen doch eine hervorragende Alternative…
Morgens um 06.00 Uhr ging dann der Bus nach Agadez. Die afrikanischen Busbahnhöfe gleichen großen, anscheinend unorganisierten Märkten. Was wie das absolute Chaos aussieht, hat aber durchaus System.

Reisen Afrika Niger Agadez
Tuareg aus Agadez, Niger
Morgens gibt es Teeverkäufer und mobile Stände mit Sandwiches. Später kommen Obststände und Omeletteverkäufer dazu, Buben, die gekühltes gefiltertes Wasser aus Plastiktüten verkaufen und junge Frauen, die gekochte Eier in einem Eimer auf dem Kopf balancieren. Jede Menge andere dienstbare Geister haben gekühlte Cola und Fanta dabei oder können aus der mobilen Apotheke ein Aspirin oder von nebenan eine Scratchkarte zum Aufladen für das Handy besorgen.
Pünktlich um 06.00 Uhr startete der Bus dann nach Agadez. Schon beim Einsteigen in den Bus zeigte sich, dass die Fahrt in das Land der Tuareg geht. Neben den Menschen vom Stamm der Haussa und Fulbe, die in der Gegend um Zinder leben, kamen nun viele Mitreisende an Bord, die zum Volk der Tuareg gehören. Äußerlich erkennbar natürlich an dem bis zu fünf Meter langen Tuch, das gekonnt um den Kopf geschlungen wird und oftmals nur noch die Augen freilässt. Durchaus sinnvoll in diesem Wüstenklima mit all dem Sand und Staub in der Luft, vom Sonnenschutz mal ganz abgesehen. Das restliche Outfit besteht aus einer langen weiten Hose und einem weiten Hemd, das meist bis zu den Waden reicht, das alles traditionell in indigoblau. (das Indigo färbt häufig ab, deswegen werden die Tuareg oft auch blaue Männer genannt). Abgerundet wird das Outfit oftmals durch einen kunstvoll gearbeiteten Beutel aus Leder, den man sich um den Hals hängt und in dem sich alles wichtige wie Geld, Papiere, etc gut verstauen lässt.
Ich freute mich sehr, wieder bei den Tuareg zu sein. 2002/2003 habe ich eine wirklich tolle Zeit in Agadez, in der Tenere und im Airgebirge verbracht und viele Einheimische kennen gelernt. Natürlich wollte ich in Agadez auch möglichst viele der Freunde von damals wiedertreffen. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, war, bereits im Bus auf einen alten Bekannten zu stoßen! Die Kopfbedeckung, die meist auch große Teile des Gesichts bedeckt, macht es nicht so ganz leicht, jemanden zu erkennen. Um 05.00 Uhr beim Bus war es schließlich auch noch dunkel, aber einer der Mitreisenden kam mir doch sehr bekannt vor. Im Laufe der Fahrt stellte sich dann heraus, dass wir uns tatsächlich kennen, im Herbst 2002 hatte mich eben dieser Ahmed nach Iferouane ins Airgebirge gefahren, von wo aus ich mit einer Gruppe Österreicher 10 Tage durch die Wüste und das Gebirge fahren durfte! War natürlich ein tolles Wiedersehen und so vergingen die sieben Stunden bis Agadez wie im Fluge.
Wieder einmal stellte ich fest, dass die Welt echt ein Dorf ist!


Freitag, 16. April 2010

Katsina, Nigeria



Reisen Afrika Nigeria Katsina
Mariya und Ishiaku, Katsina, Nigeria
Von Kano aus bin ich dann weiter nach Katsina gefahren, das gerade mal 30 Kilometer von der Grenze zu Niger entfernt ist. Ich wollte sowieso nach Katsina fahren, weil es einiges zu sehen gibt, aber es kam noch etwas dazu: im Hotel in Kano habe ich ein Ehepaar aus Katsina kennen gelernt, beide absolut liebenswerte Menschen. Und diese beiden haben mich eingeladen, sie in Katsina zu besuchen. Eigentlich dachte ich an ein oder zwei Tage dort, aber diese Pläne wurden sofort von meinem Gastgebern durchkreuzt, indem sie ein Programm vorstellten, das vier Tage vorsah… Letztendlich reichte aber auch das nicht.
Reisen Afrika Nigeria Katsina
Alte Schule von Katsina, Nigeria
Nicht, dass es so viele touristische Highlights hier gäbe, es ging eher um Dinge wie Freunde und Familie besuchen, aber es stand auch eine große Hochzeit an, die natürlich unglaublich spannend für mich war. Schon allein die Kirche dauerte fast drei Stunden, es gab sehr viel Tanz während des Gottesdienstes, dazu mehrere Chöre und eine toll angezogene Festtagsgesellschaft. Danach zog die Gesellschaft zu noch mehr Tanz, Essen und Trinken in die neue noch nicht fertige Kirche um.
Reisen Afrika Nigeria Katsina
Markt Katsina, Nigeria
In der Altstadt von Katsina steht das Gobarau Minarett, das eines der seltenen spiralförmigen Minarette ist. Man geht davon aus, dass die Erbauer sich in Samarra/Irak oder in Cairo/Aegypten inspirieren ließen. Außerdem gibt es eine alte Schule und natürlich jede Menge alte Häuser und krumme Gassen in der Altstadt.
Reisen Afrika Nigeria Katsina
Hochzeit, Katsina, Nigeria
Am spannendsten war aber das Familienleben selbst mit meinen neuen Freunden Mariya und Ishyaku sowie den vier Kindern, das fünfte ist gerade unterwegs. Am Markt einkaufen, gemeinsam essen, einen neuen Fernseher kaufen, in die Kirche gehen – das ganz normale Leben halt. Einen Vormittag verbrachte ich mit Mariya im Krankenhaus, wo sie einige Untersuchungen wegen ihrer Schwangerschaft hatte. Kaum jemand geht in Afrika alleine ins Krankenhaus, und als sich herausstellte, dass Mariya genau an dem Tag zur Untersuchung musste, an dem ich eigentlich weiterfahren wollte, habe ich kurzerhand beschlossen, einen Tag länger zu bleiben, um sie zu begleiten…
Reisen Afrika Nigeria Katsina
Hochzeitsgast, Katsina, Nigeria
Reisen Afrika Nigeria Katsina
Hochzeit, Katsina, Nigeria
Nach fünf Tagen musste ich dann doch weiter fahren, so schwer es auch fiel. An dieser Stelle vielen Dank an Mariya und ihre ganze Familie für ihre große Hilfsbereitschaft, ihre Gastfreundschaft und ihre Freundschaft. Ich hoffe sehr, dass das mit dem Englandaufenthalt klappt und wir uns bald in Europa sehen werden. Falls das nicht funktioniert, muss ich vielleicht meine Drohung wahr machen und wieder nach Nigeria reisen – in das Land, vor dem so gewarnt wird und mit dessen Bewohnern ich nur gute Erfahrungen gemacht habe.
Ehrlicherweise muss ich aber auch erwähnen, dass die Menschen in Nordnigeria mich vor ihren eigenen Landsleuten gewarnt haben. Und zwar vor denen im Süden des Landes. Natürlich warnte mich jeder vor den religiösen und politischen Auseinandersetzungen in Jos, problematisch ist auch Port Harcourt wegen der Entführungen von Ausländern. Ausnahmslos alle Nordnigerianer warnten mich vor der Riesenstadt Lagos, weil dort das geballte Elend von geschätzten 18 Millionen Menschen, das Chaos, die Gewalt und die Korruption regieren.

Reisen Afrika Nigeria Katsina
Hochzeitsgäste, Katsina, Nigeria
Reisen Afrika Nigeria Katsina
Mariya auf der Hochzeit, Katsina, Nigeria

Dienstag, 13. April 2010

Zaria, Nigeria


Reisen Afrika Nigeria Zaria
Emirpalast, Zaria, Nigeria
Nicht weit entfernt von Kano liegt Zaria. Per Minibus kann man Zaria von Kano aus innerhalb von 1,5 Stunden erreichen – sobald dieser voll ist. Und das kann dauern…. In meinem Fall waren das fast drei Stunden…. Bei den Minibussen gibt es verschiedene Modelle: am häufigsten hatte ich die Version 2:4:4:4. Das bedeutet, vorne neben dem Fahrer zwei Personen, in den Reihen dahinter jeweils vier. Das ist insofern problematisch, als es eigentlich neben dem Fahrer nur einen Sitz und in den Reihen dahinter nur jeweils drei Plätze pro Reihe gibt. Kinder, Tiere und Gepäck kommen natürlich noch extra dazu. Auf gut deutsch – so ein Minibus ist vollgestopft bis unters Dach!
Reisen Afrika Nigeria Zaria
Palastwächter, Zaria, Nigeria
Bei der Fahrt nach Zaria kam nun verschärfend dazu, dass wir eine sehr querformatige Dame an Bord hatten, die aufgrund ihrer Leibesfülle zwei Plätze brauchte, aber natürlich nicht einsehen wollte, dass sie den doppelten Preis zahlen sollte… Das zog sich in die Länge und deswegen starteten wir auch mit deutlicher Verspätung. Die Einigung beim Fahrtpreis bestand letztendlich darin, dass die Dame nur für einen Platz zahlte, aber zusätzlich einen Obolus für ihr überdimensionales Gepäck…
Zaria ist eine sehr alte Stadt mit einem Emirpalast. Hier durfte ich zwar in den Palast hinein, allerdings nur in den Hof und die äußeren Zimmer. Im Palast habe ich Hamza, einen sehr netten Angestellten kennen gelernt, der sich den restlichen Tag um mich gekümmert hat. So konnte ich nicht nur Teile des Palastes sehen und mit dem ersten Sekretär des Emirs plaudern, sondern er holte auch sein Motorrad und kutschierte mich in der Stadt herum. In Zaria gibt es eine kompakte Altstadt, die von einer hohen Mauer umgeben ist. Einige Häuser sind mit tollen Mustern verziert, durch die dicken Mauern ist es drinnen trotz der glühenden Hitze draußen richtig schön kühl.
Reisen Afrika Nigeria Zaria
Kurmimarkt, Nigeria
Am Nachmittag hatte Hamza noch eine Überraschung parat und fuhr mich mit dem Motorrad zur Amadu Bello Universität. Das ist eine der größten und bekanntesten Unis von ganz Afrika und man kann hier so gut wie alles studieren. Es tat gut zu sehen, dass hier auf dem Campus Moschee und Kirche direkt nebeneinander stehen und ganz offensichtlich Moslems und Christen hier ihren gemeinsamen Platz zum Lernen und Studieren gefunden haben. Natürlich ist der Norden Nigerias vor allem durch die Moslems geprägt, aber die Studenten kommen aus dem ganzen Land, um nicht zu sagen, aus ganz Afrika. Dementsprechend kommen hier Moslems, Christen, Animisten und andere zusammen. Von Religionsproblemen spürt man hier nichts, was nicht bedeutet, dass es keine gibt. Kano ist die Hochburg der Sharia in Nigeria und das islamische Recht wird auch in Zaria an der Uni gelehrt.
Ich persönlich hatte zu keiner Zeit ein Problem mit den Menschen hier, egal, welcher Religion sie angehören. Ganz im Gegenteil. Die Probleme in Jos, wo sich Moslems und Christen seit vielen Jahren bekriegen, liegen laut den meisten Nigerianern in letzter Konsequenz auch nicht in der Religion begründet, sondern in der Politik. Sowohl Christen als auch Moslems haben bestätigt, dass die Religion von Politikern jeder Glaubensrichtung für ihre Zwecke missbraucht wird und so die Kämpfe immer wieder ausbrechen, weil Menschen gegeneinander aufgebracht werden.

Montag, 12. April 2010

Kano, Nigeria

Reisen Afrika Nigeria Kano
Große Moschee von Kano, Nigeria
Am folgenden Tag setzte mich Luka früh morgens am Busbahnhof für Kano ab. Es dauerte allerdings vier lange Stunden, bis der Minibus endlich voll war und wir endlich starten konnten. Wir waren eine lustige Gruppe, fast ausschließlich Frauen, sodass unsere Reise sehr kurzweilig war. Bei jedem Stopp winkten meine Mitreisenden Mädchen mit Street Food in großen Körben oder Eimern herbei und orderten immer kleine Mengen, sodass ich viele unterschiedliche Snacks probieren konnte!
Nach acht Stunden kamen wir in Kano an. Laut Reiseführer leben hier etwas über drei Millionen Menschen. Ob diese Zahl stimmt, ist sehr fraglich, die Regierung geht wohl von acht Millionen aus und unabhängige Schätzungen gar von 14 Millionen.
Reisen Afrika Nigeria Kano
Kurmimarkt, Kano, Nigeria
Wie auch immer – die Stadt ist riesig, es ist das absolute Chaos auf den Straßen, Autos, Minibusse und Motorräder rasen wild gewordenen Hummeln gleich ohne erkennbare Verkehrsregeln über von Schlaglöchern gesäumte Straßen, die oftmals durch Verkaufsstände auf beiden Seiten extrem eingeengt sind. Dazu kommen Bettler, die sich an Ampeln zwischen die Fahrzeuge zwängen, Wasser- und Zeitungsverkäufer und Buben, die mit Bettelschale durch die staubigen Strassen ziehen…. In Kano gibt es auch Motorradrikschas, die vor allem von gläubigen muslimischen Frauen genutzt werden, die nicht auf einem normalen Motorradtaxi fahren möchten.
All das erinnerte mich sehr an irgendwelche Großstädte in Indien, wenn auch natürlich die Menschen hier anders aussehen.
Kano kann sehr anstrengend sein, deswegen war mir wichtig, eine vernünftige Unterkunft zu haben, in der man sich wirklich erholen kann. Eine solche Unterkunft gibt es im Gästehaus von Ecwa – Evangelic Church of West Africa. Das Zimmer mit eigenem Bad, Fernseher, Ventilator und Klimaanlage kostet den Gegenwert von 20 Euro und ist gut angelegtes Geld.
Reisen Afrika Nigeria Kano
Indigofärberei, Kano, Nigeria

In Kano gibt es einiges zu sehen, man braucht allerdings schon alleine aufgrund der Größe der Stadt viel Zeit. Für Touristen besonders interessant ist natürlich die Altstadt. Hier gibt es einen großen Emirpalast, den man allerdings im Normalfall nur von außen sehen darf. In der Theorie kann man auch ins Innere und sogar ein Treffen mit dem Emir arrangieren, aber das bedarf eines mehrwöchigen Vorlaufs, den ich natürlich nicht hatte. Aber auch sonst gibt es genügend in Kano zu sehen.

Das Zentrum der Altstadt bildet die große Moschee, die in den sechziger Jahren im saudischen Stil erbaut wurde, nachdem der damalige Emir von der Hadsch zurückkam. Davor stand am gleichen Platz eine im typischen Sahelstil errichtete Lehmmoschee.
Reisen Afrika Nigeria Kano
Emirpalast, Kano, Nigeria
Ganz in der Nähe der Moschee gibt es die jahrhunderte alten Indigo-Färbereien. Die Löcher mit dem Indigo sind bis zu sechs Meter tief. Diese Löcher werden mit Indigo, Wasser, Asche und Säure gefüllt. Je nachdem, wie lange der Stoff dort eingetaucht wird, reicht die Färbung von sehr hell- bis zu dunkelblau.
Reisen Afrika Nigeria Kano
Gidam Makama Museum, Kano, Nigeria
In dieser hektischen Stadt war dies einer meiner Ruhepole, wo ich immer wieder vorbeischaute. Einfach am Rand eines nicht benutzten Beckens in Ruhe hinsetzen, mit den ebenfalls gerade ausruhenden Arbeitern die Neuigkeiten des Tages besprechen, mit den Kindern dort spielen, was gibt es denn besseres?
In Kano gibt es zwei sehr gute Museen, die in traditionellen Häusern im Haussastil untergebracht sind. Es sind weniger die ausgestellten Artefakte, sondern vielmehr die Architekturformen der Bauwerke an sich, die spannend sind.

Samstag, 10. April 2010

Nigeria - eine angenehme Überraschung!

Es gibt im Leben Dinge, bei denen sich alle einig sind. Das ist beim Reisen nicht anders. Die übelsten Geschichten wurden immer aus Nigeria erzählt – zu viele Menschen (jeder fünfte Afrikaner kommt aus Nigeria!), Chaos, Spams, Internetbetrügereien, Biafra, Religionskonflikte, Sharia, Bürokratie, Korruption – die Liste ist alles andere als vollständig, aber jeder, der durch Nigeria gereist ist, kann davon berichten.
Was sagt uns das? Ein weiteres spannendes Land, oder? Irgendwie muss man doch herausfinden, ob diese Gruselgeschichten der Wahrheit entsprechen oder in den Bereich der Sagen und Mythen gehören….

Reisen Afrika Nigeria Kano
LKWs in Nigeria
Wie auch immer, die Straße, die Nordkamerun mit Nigeria verbindet, ist in genauso schlechtem Zustand wie die meisten grenznahen Straßen in diesem Teil der Welt. Man biegt irgendwo im Busch von der Teerstrasse auf eine nicht wirklich als solche erkennbare Piste ab und fährt eine gute halbe Stunde durch den Sand bis zu einer Kleinstadt mit überdimensionalem Markt. Aufgrund des Grenzverkehrs haben diese Grenzorte oftmals Riesenmärkte, weil die jeweils preiswertesten Waren beiderseits der Grenze hier gut verhökert werden können!
Das Passieren der Grenze war absolut unbürokratisch (widerlegt schon mal das Gerücht bezüglich des nigerianischen Papierkriegs) und ging auch ohne Spende meinerseits vonstatten (ins Land kommt man also schon mal ohne Bestechung). Ganz im Gegenteil: die Beamten freuten sich richtig über meinen Besuch, boten mir den bequemsten Stuhl an (das war der mit den vier Beinen!!!), gaben mir eine Tasse Tee und fragten mich brav, auf welche Seite im Reisepass ich den Einreisestempel möchte, um möglichst wenig Platz zu verschwenden. Beim Geldwechseln halfen sie mir auch noch, und der Kurs war noch nicht mal schlecht…

Reisen Afrika Nigeria Kano
Markt in Kano, Nigeria
Der Immigration Officer setzte mich nach der Einreiseprozedur auf sein Motorrad und chauffierte mich eigenhändig zum richtigen Sammeltaxi für die Weiterreise nach Maiduguri. Nigeria? Ja, ich war nicht auf einen anderen Planeten gebeamt worden, sondern tatsächlich gerade nach Nigeria eingereist….
In einem extrem altersschwachen Auto, das mit acht Personen samt Gepäck plus Fahrer wirklich bis unters Dach voll besetzt war, ging es dann weiter durch wüstenähnliche Landschaft bis nach Maiduguri, wo wir nach knapp vier Stunden ankamen.
Vandi, der Rezeptionist meines Hotels in Maroua, hatte es sich nicht nehmen lassen, sich auch nach meiner Abreise noch um mich zu kümmern. Telefonisch informierte er seinen Cousin Luka in Maiduguri über meine Reisepläne und schärfte mir ein, Luka anzurufen, sobald ich Maiduguri erreiche. Gesagt, getan, kurz darauf war Luka da und brachte mich ins Gästehaus der Universität.
Am Spätnachmittag begleitete er mich auf den Schwarzmarkt. Banken sind in Nigeria nur von geringem Nutzen, Geld wird auf der Straße bzw. im Markt gewechselt. Bei solchen Aktionen ist es mir immer lieber, wenn ich einen Einheimischen dabei habe. Zum einen traue ich Geldwechslern schon mal aus Prinzip nicht wirklich über den Weg, vor allem, wenn man neu in einem Land ist und den genauen Wechselkurs nicht kennt, zum anderen sehen ja durchaus einige Menschen, dass ich einen größeren Packen Geld eingetauscht habe und den nun logischerweise spazierentrage…. Kein so ganz gutes Gefühl!

Sonntag, 28. März 2010

Der Krabbenfetischeur von Rhumsiki

Am Folgetag machte ich mich gemeinsam mit Vandi, dem Rezeptionisten vom Hotel, auf den Weg nach Rhumsiki. Zuerst geht es der Teerstrasse entlang bis nach Mokolo, der einzige größere Ort in dieser Gegend. Hier endet die Teerstrasse. In die Mandaraberge führen nur extrem staubige und steinige Wege, die sporadisch von Minibussen befahren werden.
Natürlich gibt es zusätzlich die obligatorischen Motorradtaxis, die wie die Irren komplett überladen über Stock und Stein rasen. Es ist durchaus eine Erfahrung und einen halbwegs ausgefransten Hintern wert, die 55 Kilometer bis Rhumsiki mit dem Motorrad zu fahren. Staub von unten vom Weg, Staub von oben durch den Harmattan, von der Seite durch entgegenkommende Autos und Lastwägen, Staub von allen Seiten. Ein Tourenrucksack schockt einen solchen Motorradtaxifahrer natürlich nicht, der wird einfach auf den Lenker gelegt und los gehts….

Reisen Afrika Kamerun Rhumsiki
Rhumsiki, Kamerun
Nach 2,5 Stunden kamen wir in Rhumsiki an, einem Dorf inmitten einer absolut spektakulären Szenerie. Kantige Felsen ragen überall hervor, die weiter entfernten konnte man wegen des Harmatten nur erahnen. Ingesamt trug aber genau das zu einer absolut unwirklichen Stimmung bei, in der man sich selbst komplett winzig vorkommt…
Reisen Afrika Kamerun Rhumsiki
Rhumsiki, Kamerun
Rhumsiki ist eines der größeren Dörfer hier in der Gegend, in dem etwa 4200 Menschen wohnen. Die Menschen leben vor allem von der Landwirtschaft, aber auch zunehmend vom Tourismus. Derzeit ist hier anscheinend deutlich mehr los. Viele Touristen kommen hierher zum Trekking, sei es zu Fuß oder per Pferd. Dann gibt es wohl immer wieder Kletterer, die sich an den steil aufragenden Felsen versuchen.

Mit Costa, einem sehr jungen Führer, machte ich mich auf den Weg, um den Ort und den Markt zu erkunden. Die Menschen hier gehören ganz unterschiedlichen Religionen an – es gibt Christen, Moslems und Animisten. Alle leben friedlich neben- und miteinander. Tatsächlich miteinander, denn Ehen zwischen den Religionen sind durchaus üblich und kein Problem, die Kinder haben dann grundsätzlich die Religion des Vaters.

Reisen Afrika Kamerun Rhumsiki
Hochzeit Rhumsiki, Kamerun
Reisen Afrika Kamerun Rhumsiki
Hochzeit Rhumsiki, Kamerun
Am Spätnachmittag machten Vandi und ich uns auf den Weg zur Hochzeit von Vandis Cousin. Er heiratete seine vierte Frau! Die Bräute werden vom Vater bezahlt, das sind normalerweise drei Kühe oder deren Gegenwert in Geld. So kann ein Mann so viele Frauen heiraten, wie er möchte, solange er das Geld dazu hat, die Hochzeit bezahlen kann und allen Frauen das gleiche bieten kann. Dass es dieses System im Islam gibt, ist ja bekannt, neu war mir, dass es auch bei den Animisten genauso ist. Hier handelte es sich um eine animistische Hochzeit mit traditioneller Musik, Tanz und Geldgeschenken. All das auf offenem Feld mit sehr vielen Zaungästen, die zum einen einfach nur zuschauten (endlich mal was los), zum anderen versuchten, den einen oder anderen fliegenden Geldschein zu ergattern….
Fototechnisch war das natürlich die Gelegenheit, Männer, Frauen und Kinder in ihren traditionellen Gewändern zu fotografieren. Eine einmalige tolle Erfahrung und ich habe mich riesig gefreut, dass ich hier dabei sein konnte.




Reisen Afrika Kamerun Rhumsiki
Krabbenfetischeur, Rhumsiki, Kamerun
Reisen Afrika Kamerun Rhumsiki
Krabbenfetischeur, Rhumsiki, Kamerun

Im Dorf selbst gibt es einen Fetischeur, der von den animistischen Bewohnern kontaktiert wird, wenn es irgendwelche Probleme gibt oder wenn man dringend einen Rat braucht. Dieser Fetischeur hat eine Krabbe, mit deren Hilfe er die Zukunft voraussagt. Die Krabbe wird in eine Kalebasse mit Sand und Wasser gesetzt, die Kalebasse wird zugedeckt. Je nachdem, wo sich die Krabbe nach einigen Minuten aufhält, gibt es bereits Aufschluss über die Antwort auf brennende Fragen. Ich hatte die Krabbe gefragt, ob die restliche Reise gut über die Bühne gehen wird oder ob ich irgendwo besonders aufpassen muss. Der Fetischeur musste dann nochmal mit der Krabbe sprechen, weil sie nicht eindeutig positioniert saß, aber die restliche Reise wird ohne Probleme verlaufen, wenn auch manchmal ein bisschen schwierig.
Aha, Nigeria?
Schon interessant!
Am nächsten Tag haben Vandi und ich ein Motorrad ausgeliehen und sind zu einem kleinen Markt in Sir gefahren. Der Weg dorthin war ein besserer Trampelpfad, es ging buchstäblich über Stock und Stein, aber der kleine Markt war gleich noch viel besser als der große in Rhumsiki. Hierher kommen so gut wie keine Touristen und kaum jemand fragt nach Geld, Bonbons oder Geschenken.
Reisen Afrika Kamerun Rhumsiki
Markt Sir, Kamerun
Reisen Afrika Kamerun Rhumsiki
Buschratte, gegrillt, Sir, Kamerun
Am Nachmittag fuhren wir in die andere Richtung, den kranken Großvater besuchen. Der lebt auf der anderen Seite der Grenze in Nigeria. Ein ausgetrockneter Bach "markiert" die Grenze. Der über 80jährige Großvater war in der Nacht gestürzt und hat sich böse verletzt, aber Gott sei Dank nichts gebrochen. Das alles ließen wir von einem Arzt feststellen, der auch gleich ein Rezept für Medizin aufschrieb. Ich selbst war derweil bei den Frauen des Hauses, es gab getrocknete kirschenähnliche Früchte, die, welch Wunder, ein bisschen staubig waren, und leicht säuerlich schmeckten.
Nach vielen weiteren Besuchen bei Cousinen, Onkeln, Tanten oder einfach Freunden machten wir uns auf den Rückweg nach Rhumsiki.
Abends wartete dann schon das gebratene Huhn auf uns, das wir vom Markt in Sir mitgebracht hatten.

Reisen Afrika Kamerun Maroua
Markt, Sir, Kamerun
Nach zwei Tagen in den Bergen machten wir uns per Motorrad und Minibus wieder auf den Rückweg nach Maroua. Hier gibt es neben dem großen Markt ein Museum und einen Künstlermarkt. Also gibt es genug zu tun, ohne dass es langweilig wird.

Reisen Afrika Kamerun Maroua
Sahelzone, Kamerun